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Molekulare Nanomaschinen

Lebende Zellen sind angefüllt mit komplexen molekularen Maschinen, millionenfach kleiner als technisch hergestellte Maschinen wie Computer oder Autos. Das Poster "Molecular Machinery" (als pdf-Datei, 91.4 x 66 cm, 30 MB, Handout 2 A4-Seiten, 5 MB) der Protein Data Bank zeigt die Grössenverhältnisse dieser Nanomaschinen: Alle Proteine auf dem Poster sind im Massstab 1 : 3'000'000 abgebildet. 3 mm auf dem Poster entsprechen also in Wirklichkeit einem Nanometer. In der gleichen Vergrösserung wäre ein Virus so gross wie ein Tennisball, eine typische Bakterienzelle so gross wie ein Bus (2 m x 2 m x 6 m), eine eukaryotische Zelle so gross wie ein Haus oder Gebäudekomplex (30 m - 300 m Durchmesser), und ein Motoneuron (=Nervenzelle, die einen Muskel ansteuert) könnte ein Axon besitzen, das von Zürich bis Erewan (Armenien) reicht!

In dieser Grössenordnung wäre das Wasser körnig wie feiner Sand, aber lange nicht so rieselfähig. Die Wassermoleküle haften stark aneinander, und dieser Zusammenhalt ist entscheidend: Das Wasser drängt wasserabweisende (fettige) Moleküle aus seinem Gefüge hinaus. Dieser Effekt sorgt für den Zusammenhalt der Lipidmoleküle, die als Hauptkomponenten der Zellmembranen die die Zelle von ihrer Umwelt abgrenzen und innerhalb einer Zelle unterschiedliche Organellen begrenzen.

Die molekularen Nanomaschinen bestehen zum Hauptteil aus Eiweiss (Protein), langen Ketten von Aminosäuren, die sich, getrieben durch den Zusammenhalt der Wassermoleküle, präzise zu kompakten Strukturen falten. Diese winzigen Maschinen erfüllen alle Aufgaben, die für die Prozesse des Lebens notwendig sind.

Eine konstruktive Eigenart der molekularen Nanomaschinen ist die, dass sie aus einer sehr beschränkten Auswahl unterschiedlicher Bausteinen aufgebaut sind. Diese Bausteine werden unter Wasserabspaltung zu langen Ketten verknüpft. Die unterschiedlichen Nanomaschinen unterscheiden sich oft nur in der der Reihenfolge dieser Bausteine und der Länge der Ketten. Diese Reihenfolge bestimmt, wie die Kette sich im Raum anordnet und mit anderen Ketten interagiert. Die durch diese räumliche Anordnung bestimmte genaue Platzierung chemischer Gruppen im Raum bestimmt die Funktion und Eigenschaften des Ganzen.

Wir nehmen die meisten der notwendigen Bausteine mit der Nahrung auf. Einige der molekularen Nanomaschinen in unserem Körper zerlegen die komplexen Moleküle in der Nahrung in ihre Bestandteile (Verdauung), damit andere aus diesen selben Bausteinen neue Moleküle und Strukturen zusammenbauen können, wenn Zellen und Organismen sich regenerieren, wachsen und verletzte Gewebe repariert werden.

Strukturelle Eiweissmoleküle geben den Zellen und Geweben ihre Form und Festigkeit, Motorproteine erlauben die gesteuerte Bewegung der Zellen und die gezielte Anordnung und Verteilung von Zellinhalten und Zellkompartimenten. Dabei lagern sich viele Tausende identische Protein-Einheiten zu langen Fasern zusammen, die die Zelle durchziehen und durch die Dynamik ihrer Zusammenlagerung und des Auseinanderfallens der Komponenten die Zelle formen und bewegen.

Enzyme katalysieren die verschiedensten chemischen Reaktionen in der Zelle und ermöglichen die schnelle und kontrollierte Umsetzung von Substanzen in wässriger Lösung, bei Körpertemperatur und bei neutralem pH. Entlang der komplexen Reaktionsketten im Stoffwechsel der Zelle ist das Produkt einer chemischen Reaktion gleich wieder das Substrat der nächsten Reaktion, und die umzuwandelnden Substanzen werden wie an einem Fliessband von einem Enzym zum nächsten weitergereicht. Verschiedenste Steuer- und Regulationsmechanismen sorgen dafür, dass diejenigen Stoffwechselwege aktiviert werden, die dem Nahrungsangebot und dem Bedarf der Zelle entsprechen und dass es zu keinem unnötigen Anstau von Zwischenprodukten kommt.

Die Baupläne aller dieser Nanomaschinen sind in in den langen Strängen der DNS-Moleküle (Desoxyribo-Nuklein-Säure) niedergeschrieben. Ein Heer verschiedenster Proteinmaschinen sorgt dafür, dass diese Information vor jeder Teilung einer Zelle durch spezielle Kopiermaschinen fehlerfrei dupliziert wird, und dass jede Tochterzelle genau eine Kopie jedes DNS-Strangs erhält. Sie reparieren Fehler, die beim Kopieren entstanden sind oder durch Strahlung oder chemische Reaktionen eingeführt wurden. Sie sorgen dafür, dass sich die langen DNS-Stränge nicht verheddern, und dass die richtige Information zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zur Verfügung gestellt wird.

Die molekularen Nanomaschinen werden hergestellt von einer digital gesteuerten Proteinsynthesemaschine: Das Ribosom ist selbst eine komplexe Nanomaschine, bestehend aus RNS (Ribo-Nuklein-Säure) und Proteinen. Seine Besonderheit liegt darin, dass es seine Arbeit nicht nach einem festen, eingebauten Programm verrichtet, sondern dass es von aussen gesteuert wird. Eine Kopie des Proteinbauplans in der DNS, die Boten-RNS, bestimmt die Reihenfolge, in der die Aminosäuren zu einem Protein zusammengefügt wird. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Boten-RNS die Kopie eines natürlichen Gens darstellt, oder ob sie die RNS-Kopie eines synthetischen Gens darstellt, die ein Forscher nach seinen eigenen Vorstellungen zusammengebaut hat.

Die Boten-RNS enthält das Programm, mit dem das Ribosom gesteuert wird. Der vier-Buchstaben-Code der RNS-Sequenz (Nukleotide A, C, G und U) muss durch das Ribosom in den 20-Buchstaben-Code der Proteinsequenz (Aminosäuren A, C, D, E, F, G, H, I, K, L, M, N, P, Q, R, S, T, V, W und Y) übersetzt werden. Wo aber sind die Uebersetzungstabellen für diese Umwandlung festgelegt?

Neben dem einfacheTriplett-Code (drei Nukleotide stehen für eine Aminosäure), der für die Steuerung der Proteinsynthese verantwortlich ist, enthalten DNS und RNS jedoch noch einen sehr viel komplexeren Steuercode, der bestimmt, wie und wann die DNS repliziert wird, wann und unter welchen Umständen ein bestimmtes Gen ein- oder ausgeschaltet wird, wie die Boten-RNS noch abgeändert wird, bevor sie vom Ribosom abgelesen wird, mit welcher Effizienz sie abgelesen wird und wie schnell sie wieder abgebaut wird.

Auch in der Sequenz der Aminosäuren im Protein ist zusätzliche Information kodiert: Signalsequenzen haben die Funktion von Addressetiketten, die bestimmen, wohin ein neu synthetisiertes Protein geliefert wird: bleibt es im Zytoplasma, wird es in eine Zellorganelle inportiert oder gar aus der Zelle exportiert? Auch die Anleitung zur korrekten Faltung des Proteins ist in der Sequenz der Aminosäuren festgelegt. Viele Proteine sind in der Lage, sich auch im Reagenzglas ohne fremde Hilfe korrekt zu falten.

Da jedoch die gleichen Kräfte, die die Faltung der Aminosäurekette zum funktionsfähigen Protein begünstigen, auch das Verklumpen (/Aggregation) von ungefalteten oder fehlgefalteteten Proteinen begünstigen, gibt es auch Faltungshelfer unter den molekularen Nanomaschinen. Diese "Anstandsdamen" (Chaperone) unter den Proteinen verhindern diese unerwünschte Beziehungen, um den neugebildeten Proteinen zu erlauben, sich ohne Störungen korrekt zu falten. Faltungskatalysatoren wie Prolin-cis/trans-Isomerasen und Disulfid-Isomerasen beschleunigen langsame Faltungsschritte.

Die molekularen Pumpen, Turbinen und Generatoren der Zelle wandeln Lichtenergie (Pflanzen und phothosynthetisierende Bakterien) oder die in den Nährstoffen gespeicherte chemische Energie um in eine Form, die von der Zelle verwertet werden kann. Energiereiche Phosphorsäure-Anhydrid-Bindungen in Substanzen wie ATP (Adenosin-Triphosphat) oder GTP (Guanosin-Triphosphat) stellen die universelle Energiewährung der Zelle dar. Als Energie-Zwischenspeicher dienen Konzentrationsunterschiede und elektrische Potentialunterschiede zwischen durch Membranen getrennten unterschiedlichen Kompartimenten der Zelle oder zwischen dem Zellinnern und der Umgebung. Pumpen, die Protonen, Natrium- und Kalium-Ionen durch Zellmembranen hindurchpumpen sorgen dafür, dass die Energiespeicher gefüllt bleiben.

Die Lipid-Doppelschichten, die als Zellmembran jede Zelle umgiben und die innerhalb der Zelle die Zellorganellen vom Zytoplasma abtrennt, ist für die meisten Substanzen undurchlässig. Poren, Kanäle, Transporter und Rezeptoren regeln den Austausch von Stoffen und Informationen zwischen der Umgebung und dem Zellinnern und zwischen verschiedenen intrazellulären Kompartimenten. Botenstoffe (Hormone und Neurotransmitter) koordinieren die Zusammenarbeit der einzelnen Zellen in komplexen Organismen.

Ein Lebewesen, angefüllt mit allen Substanzen, die man (chemisch gesehen) zum Leben braucht, ist ein gefundenes Fressen für eine Vielzahl anderer Lebewesen. Schon unter einzelligen Organismen herrscht ein ständiger Kampf um Fressen und Gefressen werden. Viele der in der Medizin genutzte Antibiotika stammen ab von Substanzen, die einige Mikroorganismen absondern, um Konkurrenten in Schach zu halten und sich zu schützen. Bakterien wehren sich gegen Viren, höhere Lebewesen müssen sich nicht nur gegen Feinde der gleichen Grössenordnung verteidigen, sondern auch gegen Viren, Bakterien und Parasiten. Diese wiederum entwickeln raffinierte Mechanismen, um diese Verteidigung (unser Immunsystem) zu umgehen.

Viren sind kleine Gruppen von Genen, die die Fähigkeit erworben haben, von einer Zelle zur nächsten und von einem Organismus zum nächsten zu wechseln. Dort übernehmen sie die Kontrolle, und zwingen die Zelle dazu, das Erbgut der Viren zu replizieren. Sie übernehmen die Kontrolle über die Proteinproduktion der befallenen Zelle, um sich die Werkzeuge für den nächsten Schritt ihrer Reise zu bauen. Es gibt Viren, die nur bestimmte Bakterien befallen, solche, die auf Pflanzen spezialisiert sind und solche, die nur bestimmte Tierarten befallen. Einige können sich in die genomische DNS des Wirts einbauen und dort über viele Zellgenerationen verstecken, bevor sie sich wieder verselbständigen und weiterwandern.

Einige Organismen haben im Laufe der Evolution die Fähigkeit erlangt, Licht zu produzieren. Das Glühwürmchen ist wohl das bekannteste von ihnen, aber auch manche Bakterien, Pilze, Korallen und Quallen, Mollusken und Fische erzeugen Biolumineszenz. Einige dieser Mechanismen zur Lichterzeugungung wurden zu wertvollen Werkzeugen für die Erforschung biologischer Systeme weiterentwickelt. Aber auch fluoreszierende Proteine, das heisst, Proteine die zwar nicht selbst Licht erzeugen, aber dazu in der Lage sind, unsichtbares ultraviolettes Licht in sichtbares Licht umzwandeln, helfen uns als leuchtende Markierungen den Weg anderer Proteine in der Zelle zu verfolgen.

Die Protein Databank, die Sammlung des bekannten Proteinstrukturen, stellt jeden Monat ein spezielles Molekül oder eine Familie von Molekülen vor. Diese englischsprachigen Beschreibungen der Struktur-Funktionsbeziehungen von besonders interessanten Molekülen werden von David S. Goodsell, Associate Professor der Molecularbiologie am Scripps Research Institute in La Jolla, Californien, erstellt. Ich habe die bis heute erhältlichen Module auf diese CD kopiert und mit einer deutschsprachigen Einleitung versehen, um einen Einblick in die ungeheure Vielfalt, Effizienz und Komplexität der molekularen Nanomaschinen zu geben, die die Natur in Milliarden Jahren der Evolution erfunden hat. Ueber die erstaunliche Vielfalt dieser Strukturen hinaus fasziniert die Art und Weise, wie diese komplexen Bauelemente der Zellen koordiniert zusammenarbeiten und so für die Phänomäne des Lebens verantwortlich sind. Das Poster "Molecular Machinery: A Tour of the Protein Data Bank" zeigt einen Querschnittdurch die Vielfalt der Biologischen Nanomaschinen im Massstab 3'000'000:1. Ein Bakterium wie E.Coli, im gleichen Massstab aufgezeichnet, währe 6 m lang und 2 m im Durchmesser, eine eukaryontische Zelle 30 m - 300 m, und das Axon eines Motoneurons (Nervenzelle) könnte von Zürich bis Erewan reichen. Ungekehrt hätte eine 3'000'000-fach verkeinerte Abbildung der Erdkugel einen Durchmesser von 4.2 m.

Last changed by: A.Honegger, 9/7/08